Der Kampf gegen Altersarmut kann nicht allein den Kommunen überlassen werden.

Es ist gut und richtig, dass unser Oberbürgermeister Dieter Reiter und wir – die SPD Stadtratsfraktion München – gemeinsam einen höheren Regelsatz in der Grundsicherung im Alter fordern und beantragt haben. Dennoch kann eine kommunale Regelung, von der wir ja noch nicht wissen, ob und wie sie rechtlich durchsetzbar sein wird, nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Berlin Lösungen für ganz Deutschland gefunden werden müssen, um jüngeren und älteren Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, überall – auf dem Land und in einer Stadt wie München – ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Es darf nicht dem Willen und der finanziellen Leistungskraft der Städte und Gemeinden überlassen bleiben, ob im Alter genug Geld zum Leben da ist. Die größten Ungerechtigkeiten könnten relativ leicht beseitigt werden: Längere Laufzeit des Arbeitslosengeldes I für jene, die ewig in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben und wenige Jahre vor der Rente arbeitslos werden. Dazu höhere Vermögensfreigrenzen und einmalige Leistungen in der Sozialhilfe. Keine Sanktionen unter das Existenzminimum. Ein Existenzminimum ist eines, das man zum bloßen Existieren braucht. Weniger geht dann aber auch nicht.

Danach können wir uns in Ruhe überlegen, was wir grundlegend verändern müssen an Rente und Grundsicherungssystem. Und wie wir verhindern, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik vollkommen verlieren, weil jenseits der Stadtgrenze das bayerische Familiengeld nicht auf die Sozialhilfe angerechnet wird, in der Stadt aber schon. Und dass das alles von einem Genossen korrigiert werden könnte, aber nicht von dem, der in unserer Stadt regiert.

Es ist frustrierend, in der Kommunalpolitik die Defizite dessen auffangen und ausgleichen zu müssen, was in Berlin versäumt wird. Und dennoch den Schaden, den diese Versäumnisse in Wahlergebnissen anrichten, voll mittragen zu müssen. Und viel schlimmer: zu sehen, dass die Menschen zurecht sauer sind, weil viele Probleme schon ewig bekannt sind, aber sich nicht genug tut. Und in den Sozialgesetzbüchern seit 15 Jahren fast gar nichts.

Bei der notwendigen Diskussion um die Sozialgesetze dürfen wir aber auch jene nicht aus dem Blickfeld verlieren, die es ohne Hilfe schaffen (müssen), aber nur ganz knapp. Für die müssen wir endlich ein dynamisches und spürbar hohes Wohngeld einführen. Und einen echten Mietspiegel. Und und und…

Es steht gerade nicht so gut um uns als SPD, aber ich bin überzeugt, dass wir eine Daseinsberechtigung und Zukunft haben, wenn wir endlich konkrete Vorschläge formulieren, was wir gegen Armut und für ein vernünftiges Leben für alle Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen tun können. Und es dann auch tun. Und meinetwegen dürfen auch die Reichen gut leben. Wenn sie mehr abgeben würden, ginge es ihnen auch auf Dauer besser. Hoffentlich kapieren das alle, bevor es zu spät ist.

Im schlimmsten Fall bleibt unsere kommunale Initiative ein Tropfen auf den heißen Stein. Im besten Fall aber schauen wir in 5 Jahren zurück und wissen, es war ein Baustein auf dem Weg zu einer ernsthaften Debatte darüber, wie wir in Deutschland miteinander leben wollen, so dass es allen gut geht. Egal, wo sie leben. (Obwohl es in München natürlich am schönsten ist.)

Hier noch ein Link zur Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung.

PS: Einige werden sich vielleicht noch erinnern, dass mich das Thema Reform der Grundsicherung im Alter schon ewig beschäftigt. Hab dazu heute zufällig meine Ideen aus dem Jahr 2012 wiedergefunden. Vermutlich wäre ich heute mutiger mit meinen Vorschlägen, aber im Kern halte ich alles damals Geschriebene noch immer für richtig. Nachzulesen hier.