Schon wieder habe ich einige Zeit nichts geschrieben. Also hier nichts geschrieben. Denn ansonsten habe ich das Gefühl, permanent vor irgendwelchen Geräten zu sitzen, um meinem Gehirn irgendwas nicht völlig Sinnfreies zu entlocken. Hier jedoch war es eine Weile ruhig. Aber das ändert sich heute, denn ich komme nach einigen Folgen von #wenwürdeannewählen zur entscheidenden Frage: Warum am 15.03.2020 die #SPD wählen?
Ihr kennt mich ja inzwischen etwas. All die Jahre meine verzweifelten Kurz-vor-Mitternacht-Posts. Gerne nach Wahlniederlagen. Immer auf dem schmalen Grad zwischen Depression und Verzweiflung über den Zustand der Sozialdemokratie. Nicht selten waren diese Einlassungen zu ehrlich, manchmal auch ein wenig selbstgerecht, aber immer waren sie getrieben von der tiefen inneren Überzeugung, dass sie noch nicht tot ist, diese Partei. Weil es in ihr noch Menschen gibt, die etwas wollen, und die wissen, dass Politik viel mehr ist als die Aneinanderreihung hohler Phrasen und die Hoffnung, dass die Wähler*innen diese schon schlucken werden.
Es ist nicht so, dass alles gut wäre. Meine Strategie seit den verkorksten Landtags- und Europawahlen war und ist, die Landes- und Bundes-SPD weitestgehend zu ignorieren. Ich hab Saskia Esken noch nie eine Minute am Stück reden hören. Und den Walter Borjans auch nicht. Fühlte mich diese Woche wieder bestätigt von der völlig herz- und hirnlosen Entscheidung zur (Nicht-)Aufnahme von Menschen auf der Flucht. Mag ja alles Gründe haben, so zu entscheiden, aber gute Gründe können das nicht sein. Das ist tatsächlich eine Mutlosigkeit, die es nicht nur der SPD im Bund schwer macht, verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Auch uns hier in München tun Entscheidungen wie diese wahnsinnig weh, vor allem wenn wir hier für das genaue Gegenteil eintreten.
Mit anderen Genossinnen und Genossen habe ich den letzten Tagen einige Male über unseren Wahlkampf gesprochen, was gut war, was ggf. besser hätte laufen können. Und eigentlich sind wir immer zu dem Schluss gekommen, dass wir es so gut gemacht haben, wie es unter den Umständen möglich war. Wenig größere Fehler. Manchmal bin ich nicht sicher, dass es richtig war, den Klimanotstand auszurufen. Ich bin immer noch der Überzeugung, dass drastische Worte notwendig waren, um die Politik aufzurütteln, aber ob wir das Wort so hätten aufgreifen müssen, obwohl wir uns längst darüber einig waren, für ein klimaneutrales München 2035 zu kämpfen, da bin ich inzwischen eher ambivalent. Auch, weil die Notstandsdiskussion die notwendige inhaltliche Debatte an vielen Stellen überschattet hat. Und Symbole im Kampf um politischen und gesellschaftlichen Fortschritt zwar berechtigt, oft auch notwendig sind, aber niemals die weitreichenderen Entscheidungen ersetzen können. In jedem Fall hat uns das vehemente Fordern der Fridays for Futere oder von München muss handeln dazu gebracht, uns systematischer mit dem Umwelt- und Klimaschutz auseinanderzusetzen. Für diese – manchmal auch schmerzhaften – Impuls bin ich sehr dankbar, auch wenn wir uns in der Debatte mit unseren ehrgeizigen, aber differenzierten und realpolitischen dann auch umsetzbaren Positionen zwischen alles bejahenden Grünen und nahezu alles verneinendem Schwarzen oft schwer tun. Und ja, Klimaschutz braucht Zuspitzung, aber auch das Mitnehmen der Menschen, die ihn dann in ihrem Alltag leben müssen. Da taugen träumerische Zeitschienen zu vermeintlich autofreien Zonen („autofrei“ nur mit Anliegern, Lieferverkehr, Taxis usw.) genauso wenig wie das Versprechen, man könnte es allen Verkehrsteilnehmern auch künftig recht machen, wenn man nur wolle. Ich bin hier für wesentlich mehr Ehrlichkeit in der Debatte. Alle werden Einschnitte spüren müssen, wenn es ein Klimaschutz ist, der dann auch was taugt.
Ich bin total ausgelaugt vom Wahlkampf und kenne niemanden, der es nicht ist. Seit fast einem Jahr ist die Kommunalwahl für uns im Rathaus das beherrschende Thema. Erst die innerparteiliche Konkurrenz, dann ein zunächst scheibchenweise und dann über Nacht plötzlich ganz verschwindender Fraktionsvorsitzender, das Mehr an Verantwortung seitdem., eine unendliche Flut von Terminen, viel Schreibtischarbeit, im echten Leben ein Job, der fordert, und ein Kind, das mich auch manchmal braucht, haben Spuren hinterlassen. Regelmäßig gegen 22.30 würde ich am liebsten einschlafen und tue es dann doch nicht, weil es unbefriedigend ist, direkt nach dem letzten Termin ins Bett zu gehen. Also bleibe ich dann wach, um so mit sechs Stunden auskommen zu müssen, ohne, dass diese reichen würden. Ich gehöre leider nicht zu diesen Menschen, denen es leicht fällt, nach ein paar Stunden wieder voller Energie aus dem Bett zu springen.
Jetzt hab ich schon so viel geschrieben, aber noch nicht wirklich viel zu den Gründen, uns zu wählen. Ich denk schon, dass es neben den programmatischen und inhaltlichen Argumenten auch ganz viele gibt, die für uns als Fraktion sprechen. Wir haben eine Liste aus Erfahrung und guten neuen Leuten, die thematische Lücken schließen werden, und den Blick von außen mitbringen, der nach einer sechsjährigen Amtszeit so wichtig ist. Bin auch sehr gespannt, was passiert, wenn unsere Jusos auf die harte Realität des politisch Machbaren treffen. Hab das selbst auch erleben müssen… denke aber, dass es diese treibenden Kräfte durch Menschen, die noch alles wollen, und deren Hoffnungen bisher noch selten enttäuscht wurden, sind, die uns einen neuen Schub geben werden. Um gerade in den Bereichen Verkehr und Klimaschutz mutig genug zu sein, den Menschen etwas – das Notwendige – zuzumuten. Auch ansonsten werden die nächsten Jahre politisch deutlich schwerer. Die finanzstarken und damit politisch leichten Jahre, in denen im Konfliktfall alles ging und eher wenig priorisiert werden musste, die sind vermutlich vorbei. Die Auseinandersetzungen über das, was umgesetzt werden kann und das, was unterbleiben muss, werden härter. Für mich ist ganz klar, dass an Bildung und unserem dichten sozialen Netz nicht gespart werden darf. Gleichzeitig wird aber sehr wohl ehrliche Aufgabenkritik notwendig sein, denn im Laufe eher fetter Jahre ist diese zu oft unterblieben. Und natürlich ist eines auch offensichtlich – man sieht das gerade schön an den Diskussionen um die IAA: Ohne wirtschaftliche Kraft und die entsprechenden Gewerbesteuereinnahmen geht für eine Kommune auch kein sozialer Fortschritt. Da wird es viele komplexe, im Einzelfall harte Entscheidungen FÜR oder GEGEN Maßnahmen und Events geben, die im Zweifelsfall mehr Wachstum, aber vielleicht auch weniger Umweltschutz bedeuten. Angesichts der aktuellen, schon lange anhaltenden wirtschaftlichen Prosperität haben wir fast vergessen, wie es ist, wenn es nicht genug Arbeitsplätze gibt. Anderseits kann es kein Zurück geben in eine Zeit, in der Wachstum als Allheilmittel für die Zukunft der Welt galt, egal wie hoch der Preis. Diese schwierigen Fragen für München fachlich versiert mitzuentscheiden, dafür sehe ich unsere Fraktion als gut vorbereitet an. Auch, weil wir neben eigenen Überzeugungen die Bereitschaft mitbringen, die Dinge mit jenen zu diskutieren, die es hier oder da besser wissen.
Wenn man im Stadtrat sitzt, dann hat man ein ganz gutes Gespür dafür, was die anderen Parteien und deren Stadträtinnen und Stadträte leisten. Man gewinnt Respekt auch für jene, die nicht in der eigenen Fraktion arbeiten. Manuel Pretzl (CSU) ist in den letzten Jahren ein unglaublich überzeugender Redner geworden, Brigitte Wolf (LINKE) vermutlich die fleißigste am Schreibtisch überhaupt. Es sind solche Leute, die Kommunalpolitik braucht, und die dem, was sie fordert, gerecht werden. Aus unseren Reihen hören leider einige auf, auf die wir kaum oder gar nicht verzichten können: Bettina Messinger, Heide Rieke oder Hannes Kaplan werden uns sehr fehlen. Es wird schwierig, in bestimmten Ausschüssen einen guten Übergang von der alten in die neue Amtszeit hinzubekommen.
Am Ende gibt es trotzdem viele gute Gründe, warum eine starke SPD Fraktion diesem Stadtrat gut tut. Wir sind im Sozial- und Bildungsbereich die treibende Kraft. Die wegweisenden Anträge und die geleistete Arbeit in diesen Bereichen sprechen – auch objektiv, ohne Parteibrille – für uns. Wir haben uns in der Vekehrs- und Klimaschutzpolitik endlich klar positioniert. Wir stehen für eine Kulturpolitik, die alle erreichen, und sich nicht auf die Hochkultur beschränken soll. Ganz persönlich ist mir wichtig, dass Münchner*innen mit Migrationshintergrund endlich mehr mitbestimmen müssen. Politisch, aber auch in den Chefetagen von Münchner Unternehmen. Hier sollte in den kommenden Jahren mehr gehen, ehrlicherweise auch auf unserer eigenen Stadtratsliste. Arda, Polina, Daniel, Riad oder Dilek gehören das nächste Mal weiter oben auf die Liste.
Und ganz zum Schluss: wir müssen mit dem elenden Egoismus aufhören. Wenn jeder nur an sich, an seinen Vorteil, an sein Thema denkt… ohne andere Perspektiven mitzudenken, dann wird München sehr schnell nicht mehr München sein (und auch nie wieder werden). Dann wird es ein unsolidarischer Unort für Menschen mit viel Geld und wenig Empathie. Dafür einzutreten, dass wir alle auch an andere denken, dafür zu kämpfen, dass es allen gut geht und München für uns alle lebenswert bleibt, das sind die ureigensten Ziele der SPD, und auch meine. Und dafür braucht der Stadtrat uns. Und deshalb wäre es cool, wenn ihr uns wählt. Und wenn ihr noch immer nicht überzeugt seid, meldet euch bei mir oder meinen Kolleginnen und Kollegen. Ihr seid auch im Rathaus immer für Gespräche willkommen. #liste5
Ein leidenschaftliches Plädoyer für unsere SPD und für unser Engagement für München! Beim Lesen bekam ich Gänsehaut. Du schreibst mir aus dem Herzen! Schöner und zutreffender kann man es nicht ausdrücken!❤️